Mittwoch, 7. Dezember 2016

Ganz normale Tage mit der ganzen halben Gesundheit

Es ist nach Mitternacht, keine Ahnung wie spät. Ich habe mir abgewöhnt, auf den Wecker zu drücken und brillenlos die Zeit auf dem beleuchteten Display doch nicht zu erkennen.
Als meine Beine immer rastlos anfingen zu laufen, war das etwas Anderes. Dank Sifrol muss ich jetzt nicht mehr ein zwei Runden drehen, bis die neue Tablette wirkt.
Ich liege noch immer so auf der Seite, wie ich mich gebettet hatte, Dinkelkissen mit Kuhle im Kissen unter Kopf und Nacken, langes Kissen zwischen den Knien bis zum Bauch, kleines steifes Kissen unter der rechten Schulter, weiches Kissen zur Abstützung des Unterarms. Es ist Zeit, mich umzudrehen und die linke Schulter zu entlasten, die schmerzhaft trotz aller Polsterung in die Endstellung abgeglitten ist. Ich zögere das Umdrehen noch etwas hinaus, denn das Umdrehen und neue Position finden ist aufwendig. Heute um so mehr, da mein linker Arm weg ist, eingeschlafen, abgeklemmt und wie tot unter mir liegt. Aber dafür hat man zwei davon, dass der eine, den anderen helfen kann. Einmal, zweimal wiederholt sich das Prozedere noch bis sich meine Hüfte, meist noch vor dem Wecker klingeln, bemerkbar macht, so dass ich freiwillig aufstehe. Ich weiss, es wird noch schlimmer, wenn ich dann liegenbleibe.
Teewasser aufsetzen, ins Bad für das kleine Geschäft und dann schnell auf die Yogamatte und noch ein paar Pilatesübungen geturnt, wenn es geht. Oft baut sich aber der Hüftschmerz so schnell auf, dass er noch vorm ersten Tee die Bewegungen limitiert. Manchmal so, dass der Schmerz mir die Tränen in die Augen drückt. Da helfen nicht mal die bunten Pillen. Ich würde es rausschreien – aber was bringt es? Ich hoffe, dass der Schmerz heute schnell vergeht, denn das tut er meistens mit Bewegung. Manchmal hält er den ganzen Tag an, aber es war schon schlimmer. Hauptsache ich kann meine Socken irgendwie anziehen und raus aus der Wohnung. Ist nicht immer so einfach. Und wenn dann der tote Arm von der Nacht noch nicht wieder richtig erwacht ist, wird es um so schwieriger.
Seit ein paar Wochen streikt mein rechtes Handgelenk, ist sauer, und ich lege noch die Ledermanschette zur Schonung an. Wenn ich es richtig gut schone, wird es in drei, vier Wochen wieder ohne gehen, wenn!
Auf Arbeit setzen dann die Schmerzen in der Brustwirbelsäule trotz Ablenkung noch vorm Mittag ein. Dann wird ein Spaziergang fällig, immer öfter dann am Nachmittag.
Mich nervt dieses erschöpft sein, dass mein Akku sich so schnell leert. So viele Ideen im Kopf und so wenig Energie! Gut, wenn ich so spätestens fünf Uhr ein kurzes Schläfchen zu Haus einschieben kann. Meist geht das mit einem Wärmekissen aus der Mikrowelle unter dem Rücken einher. Das ich zu lange schlafe kommt selten vor. Meine rastlosen Beine verlangen sowieso nach Bewegung um diese Zeit und einer neuer Dosis Sifrol. Und ich muss und kann dann auch meistens noch für ein zwei Stunden arbeiten, das nachholen, was ich tagsüber bzw. durch den zu frühen Feierabend nicht geschafft hatte. Aber zuvor geht es noch mal auf die Matte. Zur späten Stunde und mit der Zwischendurch-Erholung schaffe ich die meisten Übungen, so 30 bis 40 Minuten lang.
Mit einem Guten-Abend-Tee beginnen die Vorbereitungen auf die nächste Nacht. Die Kissen werden geordnet und ich schlafe vor Erschöpfung meist gleich ein. Und dann es ist irgendwann nach Mitternacht und es beginnt von vorn. Bestimmt etwas anders als gestern, vielleicht intensiver, vielleicht aber auch mal etwas weniger schmerzhaft. Am Wochenende extrem viel Schlaf zwischendurch – Erholung von der Woche.
Wenn das alles so bleibt, bin ich fast zufrieden. Wenn man aus einem Tal kommt, dass schon jetzt mit etwas Abstand unvorstellbar tief war, erscheint mir mein ganz normaler Tag, wie beschrieben, als ein Geschenk. Und doch würde ich gern produktiver sein, Ideen verwirklichen, nur schaffe ich das nicht.
Die immer wiederkehrenden, grösseren Probleme werfen mich nicht mehr aus der Bahn, nicht mal die sechs Wochen im Rollstuhl im Frühjahr. So fühlt sich der gestrige Brief aus der Klinik mit einem neuen OP-Termin für eine Metallentfernung eher wie ein organisatorisches, denn ein gesundheitliches Problem an, sollte es nach anderthalb Dutzend OPs!?
Trotzdem hätte ich gern mal eine etwas längere Schmerzpause von Schulter, Hüfte, Rücken und den unregelmässig aufpoppenden, anderen, kürzeren Schmerzepisoden in Muskeln und Gelenken. Wie ist das eigentlich, einen ganzen Tag mal keine Schmerzen zu haben? Kann mich nicht mehr daran erinnern. Und ich hätte gern mehr Energie, weniger Erschöpfung.

"Da ich gewöhnt bin, die halbe Gesundheit für die ganze zu halten, so habe ich gottlob nichts zu klagen."

Johann Peter Hebel

Ich habe vorhin eine 1-Cent-Kupfermünze gefunden und überlegt, welches Glück sie bringen könnte: ‚Viele ganz normale Tage mit meiner ganzen halben Gesundheit und ein bisschen mehr!’ Peter Paul

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